Unser neues Leben als Videokonferenz

Peter Hogenkamp Peter Hogenkamp on 23. März 2020 08:31:50 MEZ

Die Coronakrise ist schrecklich, aber sie beschert uns auch einen unerwarteten Schub in Sachen Digitalisierung, der vermutlich bleiben wird.

Seit einer Woche hat sich unser Leben drastisch verändert, auf eine merkwürdige, nie gekannte Weise: Die eine Hälfte noch wie vorher, die meisten von uns sitzen zuhause in ihrer gewohnten Umgebung. Und die andere Hälfte ist kompletter Ausnahmezustand: alles anders.

Wenn man solch eine drastische Veränderung unseres Alltags beobachtet wie derzeit, kommen einem unwillkürlich die diversen Filme der letzten Jahrzehnte in den Sinn, die Zukunftsvisionen aller Art für uns vorgezeichnet hatten.

 

«Suddenly Digital» und andere Katastrophenfilme

In der aktuellen Situation befinden wir uns parallel in zwei Film-Genren: naheliegenderweise in der Kategorie Katastrophenfilm, Unterabteilung Viren-Ausbrüche, wie etwa «Outbreak» von 1995, oder viele andere, in denen eine Seuche die Ausgangslage für eine komplett veränderte Welt bildeten. Diesen Teil lassen wir weg, denn das Thema ist zu ernst für Gedankenspiele. Schon wenn heute alles überstanden wäre, was leider bei weitem nicht der Fall ist, wäre der aktuelle Ausbruch ein trauriges Kapitel der Menschheitsgeschichte. Wir hoffen und beten, dass die nächsten Wochen nicht allzu schlimm werden.

 


 

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Da aber die meisten von uns nun mehr Zeit haben, die wir auch zum Reflektieren nutzen können, dürfen wir uns über einen anderen filmartigen Aspekt durchaus Gedanken machen: Wir sind alle zusammen plötzlich in ein Science-Fiction-Szenario hineinkatapultiert worden, wie es im Film nur mittels einer Zeitreise möglich gewesen wäre.    

Der aktuell gespielte Film hiesse im Original: «Suddenly Digital». Und weil englischsprachige Filmtitel gern einen schwerfälligen deutschen Untertitel beigestellt bekommen, könnte dieser lauten: «Alles auf online – ohne Vorwarnung».

In der Hauptrolle: Wir alle. Unsere Kolleginnen und Kollegen, unsere Geschäftspartner, unsere Kinder, deren Schulen, unsere Eltern und Verwandten. In der Dramaturgie des Films wären wir derzeit noch in der frühen Phase, in der die Figuren sich ungläubig die Augen reiben angesichts einer veränderten Welt, auf die sie sich dann erst nach und nach einlassen.

 

Wir digitalisieren im wörtlichen Sinne seit 30 Jahren

Denn wie lange reden wir nun schon über diese Digitalisierung? Seit über 30 Jahren im wörtlichen Sinne der «digitalen Speicherung» unserer Daten, und nun auch schon rund sieben Jahre, nämlich seit 2013 (danke, Wikipedia) zusätzlich im übertragenen Sinne der «digitalen Transformation und Durchdringung aller Bereiche von Wirtschaft, Staat, Gesellschaft und Alltag».

Zweifellos ist alles mögliche gelaufen in der Zeit, wir buchen und shoppen im Netz, sind mit unseren Smartphones rund um die Uhr online, zuhause haben wir haben intelligente Lautsprecher, die das Licht einschalten können oder uns sagen, wie das Wetter wird und wann der Bus fährt. Es gehörte generell auch schon vor der Krise zu den spannenden Phänomenen des letzten Jahrzehnts, dass der Digitalisierungsgrad unseres Privatlebens den vieler Unternehmen überholt hat. 

Denn die meisten Firmen sind zwar durchaus «digitaler» als früher (E-Mail statt Fax, Online-Bestellung statt Telefon etc.), aber in den internen Prozessen dahinter gibt es oft noch papierbasierte «Strecken», analoge Workflows mit Ausdrucken, Mäppchen, Postfächern und Zirkularwegen.

Vor einem Jahr ermittelte eine Studie der Zürcher Hochschule für Wirtschaft zum digitalen Reifegrad: 85% der Schweizer KMU sind «Digitale Dinosaurier»

 

Infografik digitaler Reifegrad Schweizer KMUsQuelle: hwzdigital.ch

Wenn man also zu Beginn des Jahres (es ist heute erst 80 Tage alt, die sich aber diesmal länger anfühlen) die Frage gestellt hätte: Welches Unternehmen könnte, wenn das Firmengebäude nicht mehr genutzt werden kann, aus dem Stand komplett auf Remote-Betrieb umstellen? – es hätten sich wohl sich nur wenige mit Zuversicht gemeldet.

Woran liegt das? Viele Tools wären vorhanden, sie werden von Jahr zu Jahr besser, aber wer nutzt sie wirklich ausserhalb der Filterblase der Digitalbranche?

 

Video statt reisen – setzt es sich jetzt durch?

Greifen wir ein Beispiel heraus: Videokonferenzen. Wenn eine St. Galler Firma mit einer Berner Firma Geschäfte macht, ist es für jeden einsichtig, dass es viel effizienter wäre, wenn man sich eine Stunde lang zu viert via Video austauscht, als dass zusätzlich zu dieser Nettozeit der eigentlichen Sitzung zwei Personen zweimal zweieinhalb Stunden lang im Zug sitzen. Unser Freund und Scope-Verwaltungsrat Andreas Von Gunten ist vor einigen Jahren von Zürich ins Aargauische Kölliken gezogen. Seitdem versucht er, jede Besprechung mit seinen Geschäftspartnern aus Wirtschaft und Politik per «Default» als Videokonferenz zu organisieren, statt in den Zug zu steigen. Wir alle kennen auch diese Pointe: Andreas fuhr sehr viel Zug bis vor zwei Wochen.

Im Geschäftsleben liegt die Zurückhaltung wohl an einer Kombination von zwei Faktoren: Erstens empfinden es manche offenbar immer noch als eine gewisse Zumutung, sich vor einen Bildschirm zu setzen, statt gemütlich ins Sitzungszimmer oder ins Café zu gehen, und zudem quasi auch als persönliche Herabsetzung, dass der Gesprächspartner den Weg nicht auf sich nehmen wollte. Auf der grösseren Skala hat uns «Fridays for Future» im letzten Jahr mehr als eindringlich ermahnt, wir sollten auch geschäftlich weniger reisen – genützt hat es nicht viel. Ich selbst war auch schon in Hamburg und Frankfurt dieses Jahr, auch wenn alle meine Kunden dort schnelles Internet haben.

Zweitens ahne ich, dass sich viele Sorgen machen, jemand könnte sie für zu wenig versiert halten, um ein solches Videokonferenztool zu bedienen. Und in der Tat geht auch durchaus zu Beginn der Sitzungen fast immer Zeit drauf mit «Könnt Ihr mich hören?» oder «Ich weiss nicht, wie man die Kamera einschaltet». Aber es ist wie bei allen Lernprozessen: Solche Probleme hat man dreimal, und danach hat man es im Griff.

***

In diese digitale Dinosaurierwelt platzte nun also filmreif die Bombe des Corona-Virus. Als der Schweizer Bundesrat wie auch die Regierungen der Nachbarländer zuerst die Schulen schloss und dann den Notstand ausrief, war klar, jetzt wird es ernst. Viele Firmen schickten ihre Mitarbeitenden nach Hause ins Home Office, das viele nur vom Hörensagen kannten, geschweige denn, dass jemand das Szenario «Alle sind zuhause» vorher systematisch eingeübt hätte.

Agil und digital aus der Not heraus

Jahrelang haben wir mehr Agilität und Mut zum Experimenten gefordert. Nun sind notgedrungen alle agil und improvisieren. Plötzlich sind die kleinen Unsicherheiten nicht mehr relevant, weil es allen gleich geht, und es ist einfach keine Option mehr, in den Zug zu steigen. Wer also nicht sagen will: «Dann verschieben wir halt unser Projekt auf Juli oder September, je nachdem», der gibt sich besser einen Ruck und geht die kleine Unsicherheit an.

Viele wundern sich, wie gut es eigentlich funktioniert. Und alle merken, dass auch winkende Kinder im Hintergrund kein grosses Problem sind, sondern dem Geschäftskontext eine schöne menschliche Note geben, die uns in diesen Tagen guttut.

In der letzten Woche habe ich in diesem Prozess der Turbo-Digitalisierung ein grösseres und diverse kleinere Schlüsselerlebnisse gehabt. Das grösste war der Versuch der «Virtualisierung» einer Schule – in zwei Tagen.

Denn das letzte Wochenende habe ich fast komplett in der Schule meiner Söhne verbracht, einem kleinen Privatschul-«Start-up» in der Ostschweiz. Zufällig war ich am vorletzten Freitag gerade vor Ort, als die Nachricht einging, dass die Schulen per sofort geschlossen würden, und so wurde ich zumindest ein Wochenende lang Mitglied einer ad hoc zusammengestellten «Task Force», die die Migration des Präsenzunterrichts auf virtuellen Unterricht sicherstellen sollte, am besten so, dass es gleich Montag losgehen könnte.

Die Schule war und ist dabei eigentlich in einer tollen Lage, denn alle Schülerinnen und Schüler ab der 5. Klasse haben eigene Laptops, und die ganze Schule ist schon lange in der Cloud auf «Microsoft Office 365», in dem Microsofts Instant Messenger «Microsoft Teams» (der Konkurrent des hier auch schon besprochenen Slack) enthalten ist. Daher hatte jede Lehrerin und jeder Schüler schon ein Teams-Konto und musste sich eigentlich nur einloggen – nur wusste natürlich noch niemand, wie das alles geht, und eine Vor-Ort-Schulung zumindest mit den Schüler*innen hatte man nun verpasst. 

Am Samstagnachmittag wurde daher eine spontane Einführung für alle Lehrpersonen einberufen, ohne dass vorher jemand Zeit hatte, eine strukturierte Schulung aufzusetzen. «Soo kompliziert ist es ja nicht», dachte ich, «alle kennen Chat-Tools wie WhatsApp und Video-Tools wie FaceTime, das wird schon klappen».

 


 

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Natürlich klappte es bestenfalls halb. Die erste, weitgehend unmoderierte «Teams»-Session mit allen Lehrkräften in einem Raum war etwas chaotisch. Obwohl ich schon seit 1993 immer wieder alle möglichen Dinge rund rum «Computer» unterrichtet habe und es besser wissen sollte, hatte ich einmal mehr die Bedeutung der schon vorhandenen Infrastruktur überschätzt und die der strukturierten Schulung in kleinen Portionen unterschätzt

Nachdem nach der Übung der Grossteil der Lehrpersonen wieder abgezogen war, wurde in der Task Force ein kluges Motto ausgegeben: Wir werden insgesamt schneller, wenn wir uns am Anfang etwas mehr Zeit lassen. Daher nicht alles über Nacht einführen wollen, sondern mit etwas Bekanntem beginnen (das war in diesem Fall für die Schüler*innen Outlook, also Kalendereinträge und E-Mail), und darauf basierend nach und nach das Neues (die neue Software und die neuen Kommunikationsformen) einführen.

Wie die Geschichte mit der Schule ausgeht, weiss noch niemand, aber in der ersten Woche gab es durchaus einige Erfolge: Die Schülerinnen und Lehrpersonen hatten die ersten Sessions mit «Teams», und am letzten Donnerstagabend fand ein «virtueller Elternabend» statt. Dieser lief rund, fast alle Eltern und Schüler*innen nahmen teil. In den insgesamt drei Wochen bis zu den Frühlingsferien will man nun technisch und «kulturell» so weit kommen, dass man nach Ostern einen weitgehend regulären Unterricht sicherstellen kann. Das hört sich für mich nach einem guten Plan an.

Neben dem Aufsetzen der Technik und dem Festlegen des Vorgehens drehte sich der grösste Teil des Wochenendes in der Schule natürlich um Kommunikation: Wie sagen wir es den Eltern, den Schülerinnen, den Lehrpersonen?

Diese Episode in der Schule hat mich so beschäftigt, dass Reto Vogt und ich Montag und Dienstag unsere virtuellen Köpfe zusammengesteckt und ein Whitepaper geschrieben haben. Hier kann man es herunterladen: Per Push durch die Krise: Zielgruppen informieren mit Newslettern.

Wir wissen alle nicht, wie lange die Krise dauert, wir hoffen natürlich, dass unsere Kinder möglichst bald wieder in die Schule gehen und dort auch wieder in der Pause Fussball spielen können, was leider keine Software ersetzen kann. Aber bin sicher, die Schule wurde durch die Krise in die Zukunft katapultiert, und man wird einige der neuen Formate beibehalten.

***

Es «videokonferenzt» überall

Vorgestern hatte ich an einem Tag etwa acht Videokonferenzen, mit ganz unterschiedlichen Menschen auf unterschiedlichen Plattformen: 

Mit meinen Eltern und meinem Bruder und seiner Familie habe ich unsere erste Familien-Videokonferenz mit «Whereby» gemacht, da die anstehenden gemeinsamen Frühlingsferien natürlich ausfallen. Natürlich hatten wir schon in der Vergangenheit 1:1 via FaceTime, WhatsApp oder Amazon Echo geredet, aber so eine Gruppenrunde wie beim Familien-Kaffee ist nochmal anders.

Eine Nachbarin und Freundin feierte ihren 50. Geburtstag; natürlich wurde die Party abgesagt. Wir organisierten spontan mit wenig Vorlauf ein virtuelles Ständchen via der Video-Software «Zoom», bei dem rund 20 Teilnehmende nach dem obligatorischen Happy-Birthday-Singen reihum persönlich ihre Grüsse übermittelten. Für fast alle war es die erste Videokonferenz, und sie lief erstaunlich gut. Alle waren begeistert, dass sie sich auch in der vergleichsweise grossen Zahl gegenseitig sehen und hören konnten.  

Natürlich machen wir bei Scope weiterhin unsere täglichen «Stand-ups» und internen Videocalls, mit denen wir uns organisieren. Wir haben zusätzlich noch eine gemeinsame virtuelle Kaffeepause mit allen Kolleginnen und Kollegen im Home-Office als Routine aufgenommen, damit man auch noch etwas plaudern kann. 

 

Plötzlich digital

Ich habe von diversen älteren Personen gehört, die in den letzten Tagen ihre allererste eCommerce-Bestellung aufgegeben haben, meist für Lebensmittel. Einige haben sich dabei per Fern-Support bzw. auch via Videokonferenz von ihren Verwandten helfen lassen. Und auch wenn die Nutzungserfahrung wegen der drastisch erhöhten Nachfrage nicht toll ist (beim Schweizer Anbieter LeShop muss man quasi vor dem Laden warten, bis man eintreten darf, und das nächste Lieferfenster ist derzeit erst am 5. April), gilt auch hier analog: Wer schon lange sein Shopping «digitalisieren» wollte, etwa weil die Einkäufe zu schwer zu tragen sind, hat nun einen konkreten Anlass erhalten, der ihm über die Schwelle geholfen hat.

Die Liste liesse sich fortsetzen: In diversen Zürcher Läden und Bäckereien habe ich Schilder gesehen: «Wir bevorzugen Kartenzahlung.» (Obwohl die Deutsche Bundesbank das Risiko für eine Ansteckung mit Bargeld als sehr unwahrscheinlich einstuft.)

Was gestern noch eine Variante für einige Fortgeschrittene war, ist heute Realität für alle: Unser Leben ist eine Videokonferenz! Wer hätte das vor 80 Tagen gedacht.

Auch darüber haben Reto Vogt und ich einen Blogpost verfasst: Virtuelle Treffen für Familien und kleine Teams während der Corona-Krise.

Natürlich ist das alles unfreiwillig, und natürlich wird es irgendwann, hoffentlich bald, einen Weg zurück in die Normalität geben, in der wir uns wieder frei bewegen können. Aber ich bin sicher, dass diese schreckliche Krise uns zugleich in allen Bereichen – verteiltes Arbeiten, Videokonferenzen, eCommerce, bargeldloses Zahlen – auch einen Schub beschert, indem viele Firmen und Private merken: Es ist alles gar nicht so schwierig, insbesondere, wenn wir uns demnächst die Zeit nehmen, es auch im Normalmodus nochmal zu üben.

Es mag etwas altklug klingen, den alten Spruch vom Sparen abzuwandeln, aber es stimmt vermutlich trotzdem: «Digitalisiere in der Zeit, dann hast Du in der Not.»

Wir haben es uns alle nicht ausgesucht, und wie eingangs gesagt, wir hoffen alle auf einen möglichst glimpflichen Verlauf der Krankheitswelle. Aber zugleich ist über Nacht ein neues Zeitalter über uns gekommen – und es ist definitiv viel digitaler als das alte. 

 


 

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Topics: Digitalisierung, Scope-Newsletter Peter