Dies ist kein Test! iPhone, Apple Watch und opulente Slides

Peter Hogenkamp Peter Hogenkamp on 1. Oktober 2019 09:12:10 MESZ

Wenn Apple-Jüngern alter Schule etwas an ihrer Lieblingsfirma oder deren Produkten nicht gefällt, sagen sie gern: «Bei Steve hätte es das nicht gegeben.»

Obwohl ich als spätberufener Apple-Konvertit (erstes MacBook erst im Oktober 2007) eigentlich nicht wirklich dazu gehöre, habe ich mich neulich auch bei diesem Gedanken erwischt: am 10. September während der Apple Keynote, in der die neue Gerätegeneration vorgestellt wurde.

Im «Steve Jobs Theater» wurden die Präsentatoren neu teilweise von schräg unten aufgenommen, fast verschwindend vor der riesigen Multimedia-Wand, als müsse man sich Sorgen machen, Apple-CEO Tim Cook könne in einen der drei riesigen Kamera-Krater des neuen iPhone 11 Pro fallen.

TimCook_iPhone-11-Pro-Cameras

Quelle: CNBC/ David Paul Morris | Bloomberg | Getty Images

Das eigentliche visuelle Spektakel waren aber die «Summary Slides», mit denen jedes Kapitel bzw. Gerät zusammengefasst wurde, eine opulente Zusammenstellung von jedes Mal rund 20 Kacheln mit allen zuletzt gesehenen Features auf einen Blick, hier vier zum Anklicken in gross in einem Tweet

Apple_Keynote_Summary-Slides

Wer sich noch an die minimalistischen Slides erinnern kann, mit denen Zen-Meister Jobs (ein Blog, das damals seinen Stil analysierte, hiess sogar Presentation Zen) seine Keynotes bestritt, bemerkt den krassen Unterschied:

First-iPhone

Und natürlich waren die Reaktionen entsprechend gemischt. Von «beautiful» und «stunning» zu «Messy. Cluttered. Unimpressive.» bis zu: «My eyes are bleeding».

Ehrlich gesagt könnte ich mich nicht mal entscheiden, was besser ist. Ich war immer beeindruckt von Apples Minimalismus (und bin es bis heute, wenn ich mein iPhone einschalte), aber ich finde durchaus auch Gefallen an den Feature-Orgien, und sei es nur, weil sie es können, weil bei Apple auch der Information Overload noch stylisch daherkommt.

Die volle Dröhnung statt gewohnter Minimalismus

Sicher ist jedenfalls, dass Apple zumindest an dieser Stelle diametral abweicht vom einsam strahlenden Apfel auf schwarzem Grund, zugunsten einer neuen visuellen Doktrin: Viel hilft viel. In Zeiten, in denen die Smartphones in Sachen Leistung immer austauschbarer werden, setzt man offenbar darauf, mit der vollen Dröhnung Facts & Figures zu punkten, die via Social Media schon während der Präsentation live zehntausendfach verbreitet werden. (Ein ewiges Rätsel, das vielleicht in diesem Zusammenhang mal wieder jemand anschauen wird: Warum @Apple nicht twittert. Diese Übersichten wären Clickbait par excellence.)

Seit letzter Woche gibt es also nun das neue iPhone 11 in mehreren Ausführungen zu kaufen, wie auch die neue Apple Watch, genannt «Series 5».

Obwohl ich immer wieder im Sommer denke: «Vielleicht lasse ich dieses Jahr mal aus», habe ich es leider noch nie geschafft, keins zu kaufen, wofür ich mich durchaus etwas schäme (die Tatsache, dass die letzten sage und schreibe sieben Generationen von iPhones noch bei Familienmitgliedern diverser Verwandtschaftsgrade weiterlaufen, tröstet mein CO2-Gewissen leider nur ein wenig). Hoffen wir also aufs nächste Jahr. Bis dahin aber drei Beobachtungen:  

Drei Beobachtungen zu den neuen Apple-Gerätschaften

1. Die Migration vom alten zum neuen Gerät wird wirklich immer besser. Den Idealzustand stellt man sich ja so vor: Man legt beide Geräte nebeneinander, drückt eine magische Tastenkombination, und nach einer halben Stunde ist das neue Gerät eine identische Kopie des alten, inklusive aller Daten, Logins etc. Dieser Zustand ist noch nicht ganz erreicht, aber das liegt weniger an Apple, denn dort klappt es bereits gut, sondern vor allem an den anderen wie Google, Slack, Zahlungsanbietern etc. Aber verglichen mit dem Zustand vor einigen Jahren sind wir schon weit gekommen. Das Einrichten eines neuen iPhones ist kein Projekt für ein Wochenende mehr, sondern läuft im Büro nebenbei mit.

2. Das Flaggschiff iPhone 11 Pro kauft man wirklich vor allem wegen der Kameras, wie auch alle Tester schon sagten – auch wenn ich als Laie bei einigen Schnappschüssen keine Unterschiede sehen konnte zu meinem vorherigen iPhone XS. Aber das neue Super-Weitwinkel finde ich wirklich nützlich, den Nachtmodus auch, und ich kann mir gut vorstellen, dass die angekündigte, aber noch nicht gelieferte Software «Deep Fusion», die aus neun Fotos das beste Bild zusammenbastelt, auch durchaus praktisch sein wird. Leider wird es wohl nicht mehr klappen, dass ich mir für das «Slofie»-Feature («slow-motion selfie video») die obligaten langen Haare wachsen lasse, um sie superslow durchs Bild zu schleudern. Aber einen Grund muss es ja geben, dass ich B2B-Software-Unternehmer bin und nicht Instagram-Star.

3. Das beste Feature an der neuen Apple Watch Series 5 ist tatsächlich, dass sie «always on» ist, also das Display zwar leicht abdunkelt, aber dauerhaft anzeigt. Und ja, ich weiss, jede Swatch kann das auch. Aber ich mag meine Apple Watch, und ich mag sie noch mehr, wenn ich im Bett liegend nicht den Arm dreimal verrenken muss in der Hoffnung, dass sie sich vielleicht einschaltet. Und: Der Tag, als ich die neue Uhr schon trug, aber alle Meldungen noch auf der alten eingingen, war super. Vielleicht sollte ich ja bei meinem Push-Regime nochmal über die Bücher… (Übrigens: Das Nachdenk-Emoji ist das dümmste von allen. 🤔)

Topics: Marketing und Public Relations, Scope-Newsletter Peter