Schweden, Schweiz, Parkuhren und Bargeld – es bleibt kompliziert

Peter Hogenkamp Peter Hogenkamp on 12. Juni 2019 09:14:30 MESZ

Schweden ist fast bargeldlos, Deutschland gar nicht. In Zürich ist die Bastion der Parkuhren gefallen. Aber wollen wir das, gar kein Cash?

1000_franken_note_schweizQuelle: © SNB, 2018

Vor kurzem war ich drei Tage in Stockholm. Und es stimmt, was mir schon vorher alle gesagt hatten: In Schweden nutzt niemand mehr Bargeld. Jeder Kaffee, jede Cola, jeder noch so kleine Betrag wird mit der Karte bezahlt. Niemand aus unserer siebenköpfigen «Reisegruppe» hatte sich schwedische Kronen besorgt, und niemand vermisste sie. Sogar für das schnelle Zahlen, das hier humorlos «Contactless» heisst, haben die Schweden eine schöne Lautmalerei: «Blipp».

Szenenwechsel nach Deutschland. Diese Woche war ich in meiner Heimatstadt Detmold und wurde vor einer Familienfeier von meiner Mutter noch schnell in den lokalen Supermarkt abdelegiert, um etwas fürs Frühstück zu kaufen. An der Kasse zahlte jeder bar. Kreditkarten wurden gar nicht angenommen, sondern nur maestro-Karten, und obwohl meine Schweizer Karte in ähnlichen Situationen eigentlich immer funktioniert, hiess es diesmal: «Karte unbekannt». Offenes Unverständnis, dass ich keine 36 Euro in bar dabei hatte – ich musste den Einkauf stehen lassen und zuerst zur Sparkasse. Zur Familienfeier erschien ich daher ungeduscht, was allerdings hoffentlich niemand bemerkt hat. Unübersehbar dagegen ist der krasse Unterschied zwischen Schweden und Deutschland, das sich einmal mehr wie ein digitales Entwicklungsland präsentierte – was sogar von der Bundesbank noch gepriesen wird. 

In der Schweiz liegen wir irgendwo dazwischen, zum Glück näher an Schweden. Ich zahle fast überall nur noch mit meiner Revolut-Karte, über deren Funktion und Kommunikation ich in einem der nächsten Newsletter schreiben werde. Inzwischen wird man auch bei kleinen Beträgen selten schräg angeschaut – allerdings halten sich doch noch hartnäckig einige Orte, an denen man weiterhin nur bar zahlen kann, warum auch immer. (An den Kosten für ein Zahlterminal kann es eigentlich kaum mehr liegen, seit Preisbrecher wie SumUp ohne monatliches Fixum den Markt aufrollen; ich vermute daher eher den Wunsch nach einer gewissen Intransparenz.)

Bis vor kurzem waren jedoch die Zürcher Parkuhren ein Hort des Widerstands auf meinem Weg ins bargeldlose Glück. Die Beschaffung von Parkmünzen löste eine regelrechte Cash-Kaskade aus: Die Noten vom Bankomaten mussten natürlich in mehreren (eigentlich ungewollten) Bar-Zahlvorgängen in der Migros etc. «zerkleinert» werden, um am Ende eine Handvoll Münzen im Auto zu haben.

Seit April sind endlich auch in Zürich die Parkuhren bargeldlos, wobei es aus User-Sicht etwas albern ist, dass man aus drei Apps auswählen kann und muss. Aber ich habe Verständnis für den Entscheid der Stadt, mit ihrem grossen Gewicht nicht zugunsten eines Anbieters den App-Wettbewerb zu verzerren, sondern lieber zu warten, bis – vermutlich – am Ende einer übrig bleibt.

Nun fehlen mir zum bargeldlosen Glück noch zwei Use Cases: Trinkgeld (im Restaurant, dem/der Handwerker*in und Strassenmusiker*in), und öffentliche Toiletten. Bei den Filialen von McClean in den Bahnhöfen habe ich den Verdacht, sie werden die allerletzten sein, denn der Trick: «Automat gibt kein Wechselgeld» – der natürlich nicht technisch bedingt ist, sondern nur dazu dient, arme Touristen auszunehmen – wäre bei bargeldloser Zahlung passé.

Zum Schluss erlaube ich mir noch eine abrupte Kehrtwendung: Wie gesehen bin ich Fan von bargeldlosen Zahlen im Alltag – aber keineswegs für die komplette Abschaffung des Bargelds, wie sie mancherorts diskutiert wird, um Geldwäschern und Steuerhinterziehern (s.o.) das Handwerk zu legen. Im Gegenteil, wir müssen weiterhin Bargeld erlauben, denn wer nicht will, dass ein Kauf nachvollzogen werden kann, muss das Recht haben, die Zahlung in bar abzuwickeln, auch wenn dies natürlich auch Kriminelle tun. Diese Diskussion kennen wir bereits aus der Internetwelt: Auch wer nichts zu verbergen hat, darf durchaus von seinem Recht auf Anonymität Gebrauch machen.

Einmal mehr gilt also auch beim technischen Fortschritt: Es gibt es keine einfachen Wahrheiten.

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