Schreibt demnächst ChatGPT diesen Text?

Peter Hogenkamp Peter Hogenkamp on 2. Februar 2023 09:11:55 MEZ

Vorletzte Woche am WEF in Davos: Ich war – wie immer – nicht dort, dafür aber Nationalrätin und Swico-Geschäftsführerin Judith Bellaïche, und sie twitterte: «An der Session mit Microsoft-CEO Satya Nadella fragt Klaus Schwab das Publikum, wer schon ChatGPT benutzt hat.»

Laut Judiths Aussage meldeten sich im Publikum restlos alle. Das fand ich bemerkenswert. Denn dies war und ist es keineswegs die Regel beim Aufkommen neuer Technologie – die «normale» Reaktion ist vielmehr meist Ignoranz. 

Artificial-Intelligence

Bild von Markus Winkler auf Pixabay 

Twitter, sagt man, hatte seinen Durchbruch in der «Tech Bubble» bei der SXSW-Konferenz in Texas im März 2006. In der Schweiz dagegen waren auch Jahre später noch sehr wenige aktiv. Als ich 2010 zur NZZ kam, führten wir interne «Twitter-Schulungen» für die Journalist:innen durch; für die meisten war es der erste Kontakt (viele blieben immerhin dabei und sind bis heute recht aktiv). 

Wenn man die Gattung Social Media breiter fasst und von Facebook über Instagram und Snapchat bis zu WhatsApp alles mitnimmt, sind immerhin fast alle gleichermassen aktiv, sogar unsere Kinder und unsere Eltern. Das hätte damals nun wirklich niemand gedacht – aber es hat auch rund ein Jahrzehnt gebraucht. 

Themen wie künstliche Intelligenz werden auch schon lange angekündigt, und mit ChatGPT scheint nun vielleicht noch nicht im Einsatz, aber mindestens in der Wahrnehmung ein Wendepunkt erreicht zu sein. Denn nicht nur auf «WEF-Ebene» oder in der IT-Szene, sondern auch in der Tagespresse bekommt das neue Tool viel Aufmerksamkeit und es werden die Auswirkungen auf alle möglichen Bereiche diskutiert: Überrollt eine Welle maschinell erstellter Hausarbeiten die Schulen und Universitäten, kann das überhaupt noch jemand kontrollieren? Welche Jobs werden in Zukunft Computer machen (eine Diskussion, die notabene seit fast 50 Jahren geführt wird, nur die Perspektive verschiebt sich laufend)? Kann man Texten überhaupt demnächst noch trauen? 

Die grosse Aufmerksamkeit liegt sicher vor allem an der einfachen Bedienung, am interaktiven, fast spielerischen Charakter. Ohne grosse Lernkurve kann man ChatGPT schnell ausprobieren und hat ein erstes Aha-Erlebnis.

Für diejenigen, die es noch nicht gesehen haben, hier ein einfaches Beispiel aus unserem Themenbereich – ohne jede «Voreinstellung» oder ähnliches im ersten Versuch in einer Minute so aufgezeichnet: 

 

Während also die Techno-Skeptiker nach Kritikpunkten suchen, probieren die Optimisten und die Pragmatiker herum, ob Ihnen schon ein produktiver Einsatz einfällt. Ideen gibt es en masse, aber sie lesen sich meist noch wie ein eher vages Brainstorming, noch keineswegs wie ein Rezeptbuch zum konkreten Einsatz. 

***

Ich verorte mich weiterhin bei den Optimisten. Und natürlich haben auch wir schon viel mit ChatGPT experimentiert, wir müssen ja fast: Denn auch unser Nutzenversprechen bei Scope ist eins vom Zusammenspiel von Mensch und Maschine: Unsere Software durchsucht  mit Hilfe mehrerer Suchmaschinen jeden Tag das Web nach für unsere Kunden relevanten Fachartikeln, filtert diese und zeigt sie auf einen Blick an. Der menschliche Kuratorin kommt dann die Aufgabe zu, einige Artikel auszuwählen, die sie für die relevantesten hält, diese noch zusammenzufassen oder mit einem persönlichen Kommentar einzuordnen und zur Veröffentlichung freizugeben. Die Maschine übernimmt wiederum die Verteilung der Inhalte an diverse Kanäle.

So ist zumindest derzeit das Zusammenspiel definiert. Für die Zukunft können wir uns diverse Ansatzpunkte vorstellen, an denen wir die skizzierten Übergänge in Richtung der Maschine verschieben, zum Beispiel, indem diese die Artikel verschlagwortet (was jetzt bereits im Hintergrund passiert), die Zusammenfassung vorschlägt, oder gleich zu Beginn die Suchergebnisse nach Relevanz sortiert und dabei nach und nach die Präferenzen des Users kennenlernt. Unser Leitgedanke bleibt dabei: Wir finden Computer toll, wollen aber kein Innovationstheater. Derzeit kann der Mensch einige Dinge noch besser, und diese dem Computer zu übergeben muss dem Menschen vor dem Computer einen wahrnehmbaren Mehrwert bringen. 

Für kurze, prägnante Zusammenfassungen, die wirklich die Essenz des Artikels wiedergeben können, habe ich zum Beispiel bisher noch kein überzeugendes Tool gefunden. Dass es irgendwann kommt, bezweifle ich allerdings nicht. 

Zurück zu ChatGPT: Das kann ja eben vor allem schreiben, also auf eine Frage oder Anweisung in natürlicher Sprache einen Output in natürlicher Sprache generieren (auch in Computer-Code übrigens, aber ich kann natürliche Sprache besser beurteilen).

Ganz konkret würde mich interessieren, ob ChatGPT demnächst solche Editorials, also genau diesen Text für mich schreiben kann, denn mich hätte es nicht gestört, wenn ich jetzt, am Dienstagabend, schon auf dem Sofa läge, statt kurz vor dem Versand an diesem zu tippen. 

Um das herauszufinden habe ich natürlich ChatGPT selbst gefragt. Die erste Antwort fand ich etwas «sales-y» und ausweichend zugleich…

ChatGPT_Chat_Newsletter_Frage-1_2023-01-31   

… also habe ich nochmal nachgehakt:

ChatGPT_Chat_Newsletter_Frage-2_2023-01-31

 

Hm. «Das hängt von vielen Faktoren ab» ist ein Gummiparagraph, der alles und nichts sagt.

Von ChatGPT erstellte Texte von Redaktoren prüfen zu lassen, empfehlen ebenfalls alle; inzwischen hat auch schon die Runde gemacht, dass die KI oft mit Inbrunst falsche Dinge behauptet, wenn es irgendwo falsche Informationen aufgelesen hat (was im Internet bekanntlich vorkommen soll). 

Wo wir schon so nett ins Plaudern gekommen waren, habe ich noch ein drittes Mal nachgefragt. Und nun musste er/sie/es endlich Farbe bekennen:ChatGPT_Chat_Newsletter-Intro_2023-01-31
Dieser Text ist natürlich inhaltlich korrekt, aber zugleich so vorhersehbar («Leben erleichtern», «hart gearbeitet»), dass einem unmittelbar das Gesicht einschläft, wenn man ihn liest, denn er ist der kleinste gemeinsame Nenner aller Newsletter-Einleitungen.

Natürlich kann man die KI in Schutz nehmen und mir vorhalten: «Aber was soll sie denn anderes schreiben als Gemeinplätze – sie kann ja gar nicht mehr über Eure Software wissen.»

Das stimmt natürlich. Und trotzdem ist mir genau an dieser Stelle ein Licht aufgegangen.

ChatGPT schreibt den vorhersehbarsten Text und hat dabei keinerlei Hemmungen, die abgedroschenste Phrase zu verwenden, denn das ist vermutlich auch die weitestverbreitete. 

Etwas überspitzt könnte man sagen: ChatGPT ist ein Phrasengenerator. 

Der Fairness halber muss man zwei Dinge sagen: Erstens hat ChatGPT unten einen Button «Regenerate Response», mit dem man sich dasselbe nochmal in anderer Formulierung anzeigen lassen kann. Und zweitens reden wir über den heutigen, frühen Status der Software. Wir ahnen, dass die Lage in fünf Jahren schon ganz anders sein könnte.  

Dennoch kam mir unwillkürlich Wolf Schneider in den Sinn, der deutsche Sprachkritiker, Buchautor und Ausbilder vieler Journalist:innen, im letzten November im Alter von 97 Jahren verstorben, in der Schweiz bekannt von seiner Kolumne «Sprachlese» im NZZ Folio.

Schneiders Buch «Deutsch für Profis» hatte ich mir als Schüler gekauft und konnte mich an der Inbrunst erfreuen, mit der er dagegen wetterte, immer die naheliegendste Phrase zu verwenden, wenn in der Regionalzeitung «beim Schützenfest das Tanzbein geschwungen wurde» oder «die Frauen der Schützen für das leibliche Wohl» sorgten.

ChatGPT, könnte Wolf Schneider womöglich sagen, schreibt wie ein Journalist ohne eigene Ideen. Es hat so viele Texte inhaliert, dass es nun vermutlich in eine Statusmeldung über einen Systemausfall schreiben würde, die Techniker seien mit Hochdruck daran, den Fehler zu beheben.

Machen wir, um die passende Phrase zu gebrauchen, «die Probe aufs Exempel», dachte ich, jedoch ist ChatGPT gerade überlastet:

ChatGPT-is-at-capacity_2023-01-31_22-22

Die Älteren erinnern sich, dass dies eine schöne Parallele zu Twitter ist, wo jahrelang fast täglich bei Überlast der «Fail Whale» grüsste – beiden ist offenbar Scham fremd, wobei ChatGPT die Mittel hat, noch etwas cooler zu reagieren.  

Am nächsten Morgen, die USA schläft, läuft es dann wieder:

ChatGPT_Softwareausfall_2023-02-01

 

Ich persönlich bin nach jedem Chat etwas im Zwiespalt: Einerseits, wie gesagt, ist die Textqualität noch nicht an einem Ort, an dem man sie wirklich gebrauchen könnte, andererseits ist dieser «Chat» mit der Maschine, insbesondere in der interaktiven Version, doch immer wieder auch etwas beeindruckend. 

Genauso ist auch der Tenor der bisherigen Reviews: Wer ChatGPT gut «brieft», erhält durchaus verwendbare Textabschnitte, aber diese entsprechen etwa dem Stand einer bei Wikipedia recherchierten Seminararbeit. Wobei gerade dazu natürlich bemängelt wird, dass ChatGPT nicht nur noch keine Quellen, sondern nicht selten auch falsche Informationen liefert. 

Wer sich also auskennt und den Output überprüfen kann, kann den Text von ChatGPT als Grundlage nehmen, sollte ihm aber von Hand noch ein paar zündende Ideen und etwas Leben und Herzblut einhauchen, denn daran fehlt es derzeit noch. 

Man soll nie nie sagen, aber ich bin denke, dass ich noch eine Weile im «Team Handarbeit mit Liebe, supported by IT» bleiben werde.

 

***

PS. Am meisten über den Unterschied zwischen menschlichem Arbeiten und KI sagt wohl die kurze Nacherzählung aus, wie dieser Newsletter/Blogpost entstanden ist: Erst wollten wir in unserem regulären monatlichen Newsletter nur ein paar gute Artikel über ChatGPT verlinken und standen Ende letzter Woche schon einmal kurz vor dem Versand. Doch beim Editieren realisierte ich, dass der Themenbereich «Mensch – Maschine – Content» ja sehr nah an unserer eigenen Software ist, und dass wir daher nicht nur schnell drei Artikel über ChatGPT im Marketing verlinken können (die haben wir trotzdem, s. unten), sondern alles auch etwas in Relation zu uns und unseren Plänen setzen. Also schrieb ich drauflos, aber es wurde schnell zu lang für den Newsletter, woraufhin wir diesen Teil in einen separaten Blogpost verschoben. Auch dieser wiederum war dann schon einmal fast fertig, als ich zur Illustration und Plausibilisierung noch etwas mit ChatGPT chattete, woraufhin mir plötzlich in den Sinn kam, wie schlimm Wolf Schneider das womöglich gefunden hätte. Und so weiter… – irgendwann kommt man zum Ende, aber auch nur, weil man endlich muss. Denn so funktioniert nun mal der menschliche Kreativprozess: nicht als Linie von A nach B, sondern oft genug als scheinbares Getaumel inklusive mehreren Malen «Zurück auf Los».  Und genau dort liegt derzeit der entscheidende Unterschied: Die KI schreibt das Ding einfach locker runter, nach wenigen Sekunden ist es fertig, in verlässlicher 08/15-Qualität. Wem das reicht, der kann diese Texte vermutlich bald schon produktiv nutzen. Wer dagegen das Chaos liebt, Deadlines strapaziert, seine Kollegin in den Wahnsinn treibt, dreimal neu beginnt – aber dabei vielleicht auch ein paar originelle Gedanken entwickelt, die bei der Lektüre womöglich auch die Leser:innen zu schätzen wissen, der kann noch ein paar Jahre selbst schreiben. Und dann sehen wir weiter.

 

Leseempfehlungen zum Einsatz von ChatGPT im Marketing

 

Das kann die neue Super-KI ChatGPT

OpenAI und ChatGPTDie Sprach-KI ChatGPT kann ausführliche Antworten liefern, Texte schreiben, Essays verfassen, und das sogar in fehlerfreiem Deutsch. Damit lässt sich ChatGPT auch im Marketing gut einsetzen. Vor allem für kurze Texte wie Meta-Descriptions, Google Ads oder Zusammenfassungen für Social-Media-Posts. Sowie um die Struktur, Wortwahl oder den Aufbau von Texten zu optimieren und auf neue Ideen zu kommen. Es besteht aber die Gefahr von Fehlinterpretationen, da KI nicht in der Lage sind, die komplexen Zusammenhänge und Nuancen menschlichen Sprachverhaltens zu verstehen. Deshalb sollte KI nicht für die direkte Kundeninteraktion eingesetzt werden. Zudem ist es sehr wichtig, die Texte von ChatGPT auf Richtigkeit zu prüfen.

Zum Artikel von OnlineMarketing.de

 

Der KI Chatbot ChatGPT – Definition, Funktionen, Einsatzgebiete

ChatGPT im MarketingChatGPT kann im Marketing eingesetzt werden, wenn es um Ideen oder auch konkrete Zeilen für den nächsten Artikel geht. So lassen sich damit Abschnitte zu verschiedenen Aspekten Ihres Themas erstellen, die Sie dann zu einem Blogpost zusammenstellen. Auch Social-Media-Posts und gar HTML-Code lassen sich erstellen. Laut eigener Aussage kann ChatGPT nicht auf das Internet zugreifen, um Daten zu recherchieren. Deshalb basieren die Antworten immer nur auf den bereits gefütterten und erlernten Informationen, die für eine Antwort aufbereitet und von der Künstlichen Intelligenz interpretiert werden. Die Daten selbst wurden bis 2021 gesammelt. Schwierig ist darüber hinaus auch die Anführung von Quellennachweisen, da ChatGPT bisher keine Links in seinen Antworten aufführt. Schlimmstenfalls erfindet ChatGPT Antworten, die nicht der Wahrheit entsprechen.

Zum Artikel von ContentManager.de

 

Google-Suche mit KI noch 2023

Google und KIMicrosoft investiert weitere Milliarden in OpenAI – die Herausgeber von ChatGPT – und hat angekündigt, die Technologie in Microsoft Office zu integrieren. Folgt womöglich auch eine Integration in Bing?
Google ist damit im Zugzwang und hat angekündigt einen Chatbot basierend auf KI noch 2023 in der Google Suche sowie viele neue KI-Produkte einzuführen. 2023 könnte damit das Jahr werden, in dem sich die Internet-Recherche – und damit auch SEO und das ganze Content-Marketing – drastisch verändern wird. Wir bleiben gespannt.

Hier der Bericht von OnlineMarketing.de

Topics: Newsletter und E-Mail, Content Marketing