Ein unschönes Jubiläum setzt Schweizer Internetprovider unter Druck

Reto Vogt Reto Vogt on 15. Juni 2019 12:00:00 MESZ

Ab dem 1. Juli 2019 wird die erste Schweizer Netzsperre errichtet: Warum das nicht nur falsch, sondern auch gefährlich ist.

Erinnerst du dich noch? Vor ziemlich genau einem Jahr haben die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger das Geldspielgesetz angenommen. Die Auswirkungen des glasklaren «Ja» treten per Ende Monat in Kraft: Alle Schweizer Internetprovider müsssen ab 1. Juli 2019 für Online-Geldspielanbieter ohne entsprechende Konzession eine sogenannte Netzsperre einrichten.

Wer ausgesperrt wird, entscheidet die Eidgenössische Spielbankenkommission. Ebenso stellt die Behörde die technischen Spezifikationen dafür bereit. Allerdings tat sie das erst gestern Freitag: Vorher waren während knapp zwei Wochen (zur allgemeinen Erheiterung) nur PDFs mit dem Inhalt «Testpdf» abrufbar. Den über 500 Schweizer Internetprovidern bleiben also knapp zwei Wochen, um eine komplexe Hürde aufzubauen, die selbst mit wenig Technikaffinität wieder übersprungen werden kann.

Sind Netzsperren gegen ausländische Online-Casinos erst der Anfang? Ich hoffe es nicht. Statt staatlicher Internetzensur, die unerwünschte oder unliebsame Inhalte ausblendet, ist die im vergangenen März beschlossene und gesetzlich verordnete Netzneutralität der richtige Weg, um für Gleichberechtigung im Netz zu sorgen. Denn «Wegsperren» löst ein Probem nicht, sondern macht es nur unsichtbar. Oder anders gesagt: Obwohl in Schweizer Städten kaum mehr randständige Menschen zu sehen sind, gibt es sie immer noch.

Nutzer*innen wissen selbst, was sie im Internet konsumieren wollen und was nicht. Über 30'000 Botschaften prasseln auf jeden von uns tagtäglich via E-Mail, Social Media und Off- sowie Onlinewerbung ein; und weil diese Masse nicht mehr konsumierbar ist, haben wir selbst angefangen, diese zu zensurieren filtern. Sei es mittels Adblocker, Unsubscriptions von Newslettern oder Unfollows auf Twitter.

Aufgabe von Marketern ist es deshalb, ihre Botschaften so zu gestalten, dass diese bei den Nutzer*innen ankommen, gelesen und verstanden werden. Das gelingt, davon bin ich überzeugt, zum Beispiel mit kuratierten Inhalten.

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Die Universität Zürich schrieb 2016 in ihrem Gutachten zu Netzsperren für das Geldspielgesetz: «Mit Blick auf den geringen Nutzen und die mit Netzsperren verbundenen Eingriffe in Grundrechte erscheint die Einführung von Netzsperren als problematisch.»

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Deutschlands ehemalige Justizministerin begründet die Ablehnung von Netzsperren so: «Sperren sind unwirksam. Das einzige, was gegen verbotene Inhalte im Netz getan werden kann, wäre sie zu löschen.»

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Ein aktueller Fall aus Österreich zeigt, dass Netzsperren wirkungslos und leicht zu umgehen sind.

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Topics: Kommunikation