Trotz Revolut & Neon: 20 Jahre Postfinance und kein Ende in Sicht

Reto Vogt Reto Vogt on 27. Januar 2020 09:31:49 MEZ

Online ein Konto zu eröffnen ist fast so einfach, wie ein Sparschwein zu kaufen. Aber reicht das, um zu einer digitalen Bank zu wechseln?

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Online ein Konto zu eröffnen ist mittlerweile fast so einfach, wie ein Sparschwein zu kaufen.
(Bild: Fabian Blank/Unsplash)

Ich weiss noch, dass ich als 14-Jähriger mein erstes eigenes Konto bei der Schweizerischen Post eröffnete. Ans genaue Prozedere erinnere ich mich nicht mehr, aber ich musste mich damals – 1999 – am Schalter melden und identifizieren. Dies obwohl «Pöschtler» Walter bei uns im Dorf haargenau wusste, wer ich bin.

Ob mich die «Schalterpflicht» so nachhaltig prägte, dass ich über 20 Jahre Postfinance-Kunde geblieben bin, kann nicht mehr genau sagen. Denkbar ist es jedenfalls.

«Schalterpflicht» für Kontoeröffnung nervt

Denn bislang war für mich die die Vorstellung, mir wegen einer Kontoeröffnung Zeit für einen Filialbesuch nehmen zu müssen, so schmerzhaft, dass ich mich nie ernsthaft mit einem Wechsel beschäftigte.

Zugegeben, ich bin nicht gerade für Schnellschüsse bekannt und wechselte in der gleichen Zeit auch meinen Handyanbieter nur ein einziges Mal. Beim Mobilfunk überzeugte mich kürzlich Wingo, ein junger Dienstleister mit einfachen Strukturen, der ohne Filialen auskommt. Ganz nach dem Motto: «Weniger ist mehr.» Welcher Finanzdienstleister tickt genauso und kann mich so überzeugen, Kunde zu werden?

Revolut macht vor, wie es auch funktionieren kann

Revolut ist einer davon. Die englische Onlinebank fixte mich mit ihren günstigen Gebühren an und machte als erste vor, wie einfach eine Kontoeröffnung sein kann: Am Smartphone registrieren, Ausweis fotografieren und zusammen mit einem Selfie hochladen – fertig: Unabhängig von Tages- und Nachtzeit ist das Konto nach wenigen Minuten verfügbar. In meinem Alltag, zum Beispiel als Lohnkonto, hat sich Revolut trotzdem nicht etabliert. Ein Grund dafür ist, dass das Unternehmen eine litauische Bankenlizenz für Europa nutzt und dementspechend in der Schweiz keinen Einlagenschutz anbietet.

Dies ist beim jungen Fintech-Startup Neon anders. Das Unternehmen ist keine Bank im klassischen Sinne, sondern hat eine App für die Kontoführung gebaut und nutzt die Lizenz der Hypothekarbank Lenzburg inklusive deren Einlagenschutz bis 100'000 Franken. Die Kontoführung ist wie bei Revolut kostenlos. Auch die Auslandsgebühren strich Neon – anders als der grösste Inlandkonkurrent Zak (Bank Cler) – jüngst. Dies war der springende Punkt, mich näher mit der Neon-App auseinanderzusetzen und ein Konto zu eröffnen.

Neon ist eine Schweizer Alternative

Die Überprüfung der Identität führt Neon mittels Videochat durch. Das ist zwar nicht ganz so «smooth» wie bei Revolut, geht aber auch unkompliziert und schnell. Nicht ganz so zackig klappt es hingegen mit dem ersten Login. Zuerst muss man die Freischaltung seines Kontos und die Zustellung eines Zugangscodes per E-Mail abwarten. Die Wartezeit von drei Arbeitstagen löste bei mir schon fast so etwas wie «Offline-Gefühle» aus. Aber für eine Bank, die sich an Schweizer Gesetze halten muss, ist das womöglich schon ganz zackig.

Trotzdem habe ich mich entschieden, mein Geld vorerst noch nicht komplett von Postfinance zu Neon zu transferieren, sondern das neue Konto vorerst nur testweise zu nutzen. Es bereitet mir nämlich noch grosse Sorge, sämtliche E-Rechnungen und Daueraufträge neu einrichten zu müssen. Wenn ich bedenke, was mir meine Zeit wert ist, dauert es wohl Jahre, bis die gesparten 60 Franken Kontogebühren per Annum ammortisiert sind.

Process is Princess

Effiziente Prozesse sind König – oder zumindest Prinzessin. Darum genügt mir die schnelle Kontoeröffnung am Handy nicht. So richtig attraktiv wird eine «digitale» Bank erst, wenn auch die wichtigen Funktionen innerhalb der Banking-App so simpel und zeitsparend wie möglich auszuführen sind. Bis das so weit ist, gehe ich mit Postfinance ins 21. Jahr. Und vielleicht auch noch ins 25.

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Topics: Digitalisierung, User Experience