Natürlich können wir diese Fragestellung unmöglich in einem kurzen Newsletter abhandeln. Aber am dankbar simplen Otto-Beispiel können wir einige Punkte nachvollziehen:
- Reto weist als erstes darauf hin, dass es ohnehin keine fehlerfreie Software gäbe – die Frage sei nur, als wie schlimm wir die Fehler wahrnehmen. Auch beim Otto-Bingo hat ja vermutlich das Ausfüllen des Bingo-Scheins korrekt funktioniert. In die Zeitungen hat man es dann mit einem kleinen, aber weitreichenden Bug geschafft.
- Fast schon eine Binsenweisheit, die wir aus allen Projekten kennen, aber doch immer wieder relevant ist das magische Dreieck: «Zeit, Kosten und Qualität stehen in Konkurrenz zueinander.» Ohne jemanden pauschal verdächtigen zu wollen, können wir uns vorstellen, dass der preisbewusste Discounter dem oder den Entwicklern ein knappes Budget – finanziell und/oder zeitlich – für das Jubi-Bingo vorgegeben hatte, und in diesem Rahmen bewegte sich dann das Ergebnis.
- Beide weisen darauf hin, dass Software in einem komplexen Umfeld lebt, das sich immer wieder ändern kann: Der Hoster ändert die Serverkonfiguration oder spielt ein Betriebssystem-Update auf, ein Partner verändert eine Schnittstelle. Oder Kathrins Software geht kaputt, «weil ich aus Faulheit irgendwelche Dateipfade oder dergleichen an dreissig verschiedenen Stellen direkt in den Code geschrieben habe».
- Insofern kann es zwar theoretisch Beispiele für den Spruch «Never change a running system» (Reto vermutet, ein Strassenverkehrsamt in Nebraska läuft noch auf einem Commodore 64) geben, aber Kathrin ist überzeugt, dass es genau umgekehrt sei: «Wenn man Software ein paar Jahre nicht benutzt, ist sie beleidigt und hört schon allein deshalb auf zu funktionieren. Oder weniger abergläubisch ausgedrückt: Während der Nichtbenutzung vergisst man die vielen Rahmenbedingungen, auf die diese Software zu ihrem Funktionieren angewiesen war. Sofern man die überhaupt jemals kannte.»
- Bei Otto's kam wie gesagt hinzu, dass das fehlerhafte Verhalten erst am letzten Tag des Wettbewerbs auftrat, an dem der Entwickler automatisch den Gewinner benachrichtigen wollte, womöglich damit er nicht um Mitternacht selbst den Knopf drücken musste. Es ist auch für uns Laien plausibel, wie man den Zieleinlauf weniger gut testet als den Regelbetrieb Schein ausfüllen.
Soweit einige Gründe, es gäbe wohl noch zahllose weitere. Eine andere interessante Frage haben wir damit noch gar nicht angeschnitten: Wie geht man eigentlich als Anbieter damit um, wenn einem die Software aussteigt?
Auch wenn der Otto-Fail natürlich keineswegs episch war, hat man sich kommunikativ nicht gerade mit Ruhm bekleckert, indem man nur eine Medienmitteilung herausgab, die man als PDF auf die Aktionswebsite stellte und bei Facebook als Bild (!) veröffentlichte – in den Otto-Blog hat sie es aber nicht mal geschafft, dort steht oben noch der schöne Beitrag «8 Hausmittelchen, mit denen du lästige Klebereste problemlos loswirst». Ungeschickt daran ist unter anderem, dass man unweigerlich stattfindende Rückmeldungen auf externe Plattformen wie Facebook und 20 Minuten (131 Kommentare) auslagert, wo man sie nicht moderieren kann.
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