Apples Privacy-Offensive, oder: der Sargnagel der Öffnungsrate

Peter Hogenkamp Peter Hogenkamp on 12. November 2021 18:07:42 MEZ

«What happens on your iPhone, stays on your iPhone», plakatierte Apple im Jahr 2019 nicht weniger als 14 Stockwerke hoch an einem Hotel in Las Vegas, dem Ort, auf die sich das geflügelte Wort im Original bezieht. Mit dem iOS 15 macht Apple nun wirklich Ernst mit den Datenschutzbestrebungen. Was die Privacy-Initiativen von Apple für das Newsletter-Marketing bedeuten und was unsere drei Tipps dazu sind, erfahren Sie in diesem Blogartikel. 

Apple iOS 15 privacy Newsletter-Marketing Datenschutz

 

Die Positionierung als Privacy-Vorreiter ist leicht nachvollziehbar: Im Gegensatz zu den Hauptkonkurrenten Google und Facebook, die ihr Geld damit verdienen, dass sie viel über uns wissen, ist Apple nicht auf unsere Daten angewiesen, denn ihr Geschäftsmodell ist im Wesentlichen, uns teure Hardware zu verkaufen. Da fällt es nicht schwer, sich an die Spitze der ohnehin seit Jahren anschwellenden Debatte über unsere Privatsphäre zu setzen.

Im Herbst veröffentlichte Apple neue Versionen seiner Betriebssysteme: iOS15 für das iPhone (bzw. das im Wesentlichen identische iPadOS) und macOS Monterey. Bei beiden wurde in Sachen Privacy gross angerührt. 

Für die meisten Privatpersonen und Mail-Empfänger:innen ist es wohl eher eine Art Randnotiz, wenn sie an einigen Orten in Zukunft anonymer unterwegs sein können. Aber für uns als Marketing-Menschen, die regelmässig Newsletter versenden, hat es potenziell eine grosse Sprengkraft. 

In Sachen E-Mail hat Apple vor allem die folgenden beiden Neuerungen eingeführt:

1. iOS 15-Neuerung: E-Mail-Adresse verbergen 

Schon seit Ewigkeiten gibt es, von diversen kleinen Anbietern umgesetzt, das Konzept der «Burner»-E-Mails, sinngemäss übersetzt als Einweg- und Weiterleitungs-Mailadressen. Das funktionierte immer schon wie folgt: Wenn man sich bei einem Online-Shop oder für einen Newsletter registriert, gibt man nicht seine echte Mailadresse an, sondern eine fiktive und individuelle, also nur für diesen Zweck angelegte. Der Vorteil: Wenn der Absender Spam versendet oder gar die Mailadresse weiterverkauft, kann man die Weiterleitung jederzeit abstellen, die echte Adresse wird nicht exponiert.

Die Anzahl Menschen, die ich kenne, die ein solches Angebot bisher regelmässig genutzt haben, beträgt exakt – 0. Es war und ist bisher ein Nischenfeature für Hardcore-Privacy-Fans. Für uns Normalos fällt das Geheimhalten der Mailadresse in die Kategorie: «Ja, wäre vielleicht manchmal sinnvoll, insbesondere wenn ich schon 1997 damit angefangen hätte, aber wo nun eh schon 5’000 Anbieter meine echte Adresse kennen, ist es wohl auch egal.»

Apple sah das offenbar anders.

Denn seit den Updates von iOS und macOS sieht es in Apples Browser Safari plötzlich so aus, wenn man sich auf einer neuen Website registriert – hier am Beispiel der Website des Schweizer Discounters Denner:Apple Privacy Datenschutz Newsletter-Marketing

Apple schlägt also per Default-Voreinstellung tatsächlich die neue Funktion «E-Mail-Adresse verbergen» vor, wo es früher die echte Mailadresse angezeigt hätte. 
Apple Privacy Datenschutz Newsletter-Marketing

Wenn man diese Funktion anwählt, werden zwei real existierende Wörter und eine Zeichenkombination (hier zum Beispiel: Terpentin - Tiefflug - 0e) zu einer Nonsense-Maildresse kombiniert, von der nur Apple weiss, zu wem sie gehört.

In den Einstellungen von iCloud kann man sich eine Übersicht der bisher verwendeten verborgenen Mailadressen anschauen und diese wie gesagt auch jederzeit wieder abstellen, sodass sie danach ins Leere laufen. 

iOS 15 Datenschutz Newsletter-Marketing

 

Apropos iCloud: Da Apple zwar den meisten Umsatz mit seiner Hardware macht, aber gern auch obendrauf noch etwas mit Services verdient, sind die hier beschriebenen Features beschränkt auf zahlende Abonnenten des Dienstes «iCloud+». Allerdings nutzen diesen sehr viele iPhone-User ohnehin, um ihre Fotos in der Apple-Cloud zu sichern. 

Unklar ist natürlich bisher, wie dieses für viele sicher exotische Konzept angenommen wird; vielleicht bleibt es auch eher ein PR-Stunt von Apple. Andererseits erinnern wir uns noch gut an die Änderung vom April zum Thema «App-Tracking». Apple fragt seitdem beim erstmaligen Aufruf jeder App, ob man anderen Apps und Websites erlauben will, die Aktivitäten in dieser App zu verfolgen. Die Ablehnungsquote beträgt über 80%. 

2. iOS 15-Neuerung: Apple Mail Privacy Protection 

Das zweite Mail-Privacy-Feature läuft mehr im Hintergrund ab – aber womöglich mit noch viel weitreichenderen Auswirkungen.

Eine der wichtigsten Grössen beim E-Mail-Marketing war seit Jahren die Öffnungsrate: Wie viele Mails, in Prozent aller versandten, werden von den Usern geöffnet. Dies wurde in der Regel über ein nicht sichtbares Bild in der E-Mail, das «Zählpixel», umgesetzt, das beim Öffnen geladen wurde.

Apple unterbindet dies für die User seiner eigenen Mail-Clients. Die E-Mail-Nachricht mit den enthaltenen Medien wird sofort beim Empfang automatisch auf einen Proxy-Server von Apple geladen, der zwischen den Versender-Server und das E-Mail-Postfach des Empfängers geschaltet ist. Dieser lädt alle Bilder und somit auch das unsichtbare Tracking-Pixel-Bild, was die automatische Zählung einer Öffnung auslöst. 

Es wird also nichts im eigentlichen Sinne blockiert, wie man es sonst von Privacy-Mechanismen kennt, sondern vielmehr alles auf Vorrat automatisch geöffnet: In Zukunft werden Apple-Nutzer, die «Mail Privacy Protection» aktiviert haben, immer eine Öffnungsrate von 100% aufweisen. Die Zahl wird damit aufgeblasen und die Messung an sich entwertet.

Zusätzlich verschlüsselt Apple dabei auch die IP-Adresse des E-Mail-Empfängers; somit kann auch die Geolocation nicht mehr nachvollzogen werden.

Auch hier ist noch unklar, wie viele diese Funktion nutzen werden. Beim ersten Aufruf der Mail-Apps nach dem Update wird gefragt, ob man sie aktivieren will, wobei kein Defaultwert gesetzt ist. Im Gegensatz zum oben beschriebenen Feature «Adresse verbergen», das eine konstante Verhaltensänderung erfordert, wäre dieses mit einem Klick für immer umgestellt.

Manche Experten, etwa Greg Zakowicz, Director of Content bei der E-Mail-Marketing-Plattform Omnisend, erwarten daher, iOS 15 sei «der sprichwörtliche Sargnagel für E-Mail-Öffnungsraten». Wir werden sehen, wie sich die Zahlen entwickeln. 

Was ist zu tun? 

Wir empfehlen vorerst drei Dinge: 

  1. Ruhe bewahren und schauen, wie sich die Anzahl von iCloud-Mailadressen im Adressbestand und die Öffnungsraten entwickeln. Wenn diese über die nächsten Versände ansteigen, sind Sie zumindest nicht überrascht. Die gute Nachricht ist: Ihre Mails werden weiterhin zugestellt und deswegen nicht weniger angeschaut, sie können es nur weniger gut messen.

  2. Achten Sie statt der Öffnungsrate stärker auf die Klickzahlen, die hoffentlich noch eine Weile lang ein etwas robusteres Mass darstellen werden. (Leider ziehen auch hier am Horizont ein paar düstere Wolken auf; dazu demnächst mehr an dieser Stelle.)

  3. Wenn Sie in Ihrem Newsletter Seiten auf Ihrer eigenen Website verlinken, vergleichen Sie die Klickzahlen auch mit den eingehenden Verweisen Ihrer Web-Analytics-Software.


Wir werden das Thema weiter verfolgen und halten Sie in unseren Blogposts und in unserem jetzt wieder regelmässigen Newsletter auf dem Laufenden.

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Topics: Newsletter und E-Mail, User Experience, Datenschutz